Freitag, 12. Februar 2010

Part 2 - Luzern

Der letzte Eintrag hat damit geendet, dass ich ins Bett gegangen bin, um am nächsten Morgen um 3 Uhr aufzustehen und zur Tagwache zu gehen. Das stimmt auch beinahe, abgesehen davon, dass ich Vronis Wecker gehört und ignoriert habe, um dann um 3:44 geweckt zu werden, was mir nur noch Zeit für eine Tasse Kaffee und eine Scheibe Brot gegeben hat :( Ausrüstung für diesen Tag: Zwei Paar Socken übereinander, drei lange Oberteile übereinander (+ Mantel), zwei Paar Handschuhe übereinander, Kamera. Das war aber auch sowas von nötig. Eine weitere Vorkehrung wäre eine Kostümierung und die Aufnahme einiger Deziliter Alkohols gewesen, aber das haben wir uns gespart.

Nach dem überstürzten Fast-Frühstück sind wir um 4 Uhr morgens in den Bus gehüpft und in die Stadt zur Tagwache gefahren. Fasnacht in Luzern, was ist das eigentlich? Klingt komisch, is aber so, erklär ich euch *räusper*... (Die ausführliche und akkurate Erklärung der Tagwache findet sich hier, ich erzähl meine Version.) Die Tagwache scheint der offizielle Beginn der Fasnacht in Luzern zu sein, nachdem die Tage und Wochen vorher schon Bälle stattfinden, bei denen von den Guggemusikern bzw. Fasnachtsgruppen noch die Masken des Vorjahres getragen werden. Am Schmutzigen Donnerstag werden zum ersten Mal die neuen Masken und Kostüme angelegt, die das ganze Jahr über passend zum "Sujet" (= Thema) gebastelt wurden. (Es ist also nicht wie bei uns, dass die Funkenmariechen jedes Jahr das gleiche Kostüm anziehen. Tun sie das überhaupt?? Ach, ich kenn mich gar nicht aus...) Nach all diesen Bällen und Besäufnissen kommt nun also der Schmutzige Donnerstag, der mit der Tagwache um 5 Uhr morgens beginnt.

Dazu finden sich alle Fasnachter, Betrunkenen, Verkleideten (gut 95 %) und Touristen (manchmal kombiniert zu finden) in der Stadt auf dem Kapellplatz und drumrum ein. Um 5 Uhr hört man den "Urknall", der nicht sehr laut ist und alle warten auf eine dubiose Person, die zum Zeitpunkt des Urknalls von einem Boot auf der Reuss steigt und sich dann ihren Weg durch die Menge bahnt. Sobald diese Person das Podest in der Mitte des Platzes erreicht hat, brüllen alle Leute laut - falls sie das nicht sowieso schon tun - und dann kommt der richtige Knall, denn über dem Platz gespannt sind einige Ballons mit Papierschnipseln, die mehr oder weniger gesprengt werden. Das sieht dann so aus:

Ein bisschen Schnee ist auch noch mit drin.

Der Spaß nennt sich übrigens "Fötzeliräge", wobei jeder normale Deutsche NICHT sofort an die korrekte Übersetzung "Fetzenregen" denkt. Aber das verdenke ich auch keinem, Helvetismen sind etwas... ääähh... merkwürdig. Es regnet also tonnenweise Papierschnipsel und jeder freut sich wie ein Schneekönig. Die Papierschnipsel konnte ich übrigens identifizieren, denn vorhin hab ich einen in meiner Tasche gefunden: Es sind geschredderte Telefonbücher. Nachdem man sich freie Sicht verschafft hat, brüllt man noch etwas und läuft dann durch die Stadt - ziellos, wie mir scheint. In der Stadt sieht man überall Guggemusikgruppen, die anscheinend auch ziellos, aber in geordneten Reihen und musizierend durch die Gassen laufen und damit zum Mitwippen animieren. Wer weiß, vielleicht wippt man auch, weil es so grausam kalt ist und man nicht erfrieren will, aber das habe ich noch nicht vollständig eruieren können. (Dazu ganz kurz: Es hat die ganze Zeit geschneit, die Temperaturen lagen um die -10°C, und auch zwei Paar Socken und Handschuhe schützen nicht davor. Das letzte Mal, dass ich so gefroren habe, ist zu lang her, um mich noch dran erinnern zu können. Also mindestens zwei Wochen.) Wenn man dann irgendwann genug vom Herumwippen und Gruselige-Masken-Anschauen hat, geht man frühstücken - Andrea, ihre Mutter und deren Freund haben das gemacht und nein, wir wurden nicht schändlich im Stich gelassen, das war alles so geplant. Vroni und ich haben die restliche Stunde bis zur Öffnung von Starbucks mit der Suche nach einem offenen, geheizten Laden verbracht und wurden auch fündig bei einer Bäckerei im Bahnhofsgebäude. Um Punkt 7 Uhr haben wir uns dann zu Starbucks begeben, wo es - trotz vieler betrunkener, verkleideter Fasnachter - erstaunlich ruhig war und wir sogar zwei Sessel gefunden haben. Die außerordentlich kurze Nacht hat ihr Tribut gefordert - ich habe geschlafen / gedöst und mich zum ersten Mal selbst Schnarchen gehört, und Vroni hat engelsgleich über mich gewacht :)

Dem Plan folgend sind wir uns irgendwann zu Alexandra gefahren, die als nicht-so-begeisterte Fasnachterin nicht bei der Tagwache dabei war und bei der wir zum Frühstück eingeladen waren. Dort haben wir die Luzerner Zeitung studiert und nicht nur herausgefunden, dass man den Deutschen das Steuersünden übel nimmt, sondern auch, dass wir langweilige "Nature Joghurt" sind - an Fasnacht unkostümierte Personen ^^ Nach dem - sehr leckeren - Frühstück sind wir zum Verkehrsmuseum gegangen und uns dort im IMAX-Kino "Fly me to the moon" in 3D angesehen, ein Animationsfilm über drei Fliegen, die mit Armstrong zum Mond fliegen. Der Einfachheit halber sind wir dann 20min auf der Promenade am See entlang in die Stadt gelaufen, haben uns bei Alexandras Mutter den Schlüssel für ihre Fußpflegepraxis ausgeliehen und uns ans Fenster gesetzt, um den Fasnachtsumzug anzuschauen. Besser hätten wir es nicht treffen können, denn wir konnten 1. im Warmen sitzen, 2. sitzen, 3. wir hatten den ultimativen Überblick und 4. konnten wir jederzeit auf die Toilette gehen. Und das ist ein nicht zu verachtender Faktor für Menschen, die Kaffee als Grundnahrungsmittel ansehen.

Als ich dann fast mit dem Kinn auf einer Rolle Papier eingeschlafen bin, war der Umzug glücklicherweise zuende und wir sind mit einem Umweg über eine Bar, in der Alexandras bester Freund hinter der Theke stand und uns einen ziemlich starken Rum-Tee-Mix spendiert hat, zurück zu Andrea gefahren. Da noch den Koffer packen, schnell die Katzen knuddeln, uns artig bedanken und dann zum Bahnhof, um die dreistündige Rückreise anzutreten...

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