Dienstag, 12. August 2014

Hühnerkopf und Hühnerbein

Wer mich kennt, der weiß, dass Essen für mich einen recht hohen Stellenwert einnimmt, dementsprechend gespannt bin ich also, was uns hier in China so erwartet. Unser erstes "richtiges" Essen war auch schon sehr aufschlussreich.

(Oh, vorher ein kleiner Einschub - wir wissen jetzt, wie man die Tür von außen abschließt. Man muss sie tatsächlich komplett anheben. Weiter im Text!)

Nach unserem Mittagsschlaf, der mehrere Stunden gedauert hat, waren wir nicht wirklich wacher, aber was will man auch erwarten... dafür waren wir hungrig und Margaret ist mit uns in ein Restaurant gegangen, was sein gesamtes Menü als Fotos im Eingangsbereich hat. Ich dachte ja zuerst, dass das für die blöden Ausländer ist, die kein Chinesisch können, aber im Endeffekt wird es wohl für Analphabeten sein. Uns blöden Ausländern hat es aber nicht bei der Entscheidung geholfen, also hat Margaret letztendlich irgendwas mit Nudeln, ohne scharfe Würzung und für mich ohne Fleisch bestellt. Fein. Wir haben uns gesetzt, unsere Stäbchen ausgepackt und Anja hat ein wenig von ihrem Studium erzählt. Nun glaubt Margaret zwar aufgrund eines kleinen Verständigungsproblems, dass Anja - wie sie - Archäologie studiert, und hat Anja deshalb fast schon eine Liebeserklärung gemacht, aber das will Anja lieber so auf sich beruhen lassen.

Dann kam das Essen. Nein, leider habe ich keine Fotos gemacht.

Oh Gott, das Essen. Was? Haben wir wirklich SO viel bestellt? Was, das war noch gar nicht alles?? Ach ja, da kommt noch eine Schüssel. Hmm, ich kann den Tisch nicht mehr sehen... und was ist das in dieser großen Schüssel, ist das eine Hühnerkralle? Wie, Margaret, du willst mir sagen, dass irgendwo in diesem Gewühl aus Nudeln auch noch der passende Hühnerkopf liegt? Wie charmant, dann nehme ich davon mal Abstand. Egal, probieren wir mal diese Nudeln mit Aubergine, und dann... nein, kein "dann", hier hört meine kulinarische Reise für den Abend auf, denn diese Aubergine ist WUNDERVOLL. (An dieser Stelle müsste ein Smiley mit Herzchen als Augen stehen.)

So ähnlich war mein Gedankengang und das mit der Aubergine ist nicht gelogen! Prinzipiell esse ich Aubergine ja schon gerne, aber das war einfach der Höhepunkt. Zuletzt habe ich auch die Nudeln um die Hühnerfüße herum probiert, aber selbst ohne das Huhn drin war es nichts für mich und auch Anja war nicht begeistert. Sie waren aus Kartoffeln (oder waren es Süßkartoffeln?) und sie waren unglaublich klebrig und zäh. Ansonsten war aber alles recht lecker und nichts davon hätte man auf einer europäisch-orientierten Speisekarte eines Chinarestaurants gefunden. Der richtige Knaller kam aber am Ende, als die Rechnung gebracht wurde. Der Spaß hat uns nämlich umgerechnet 10 € gekostet, dabei blieb am Ende, selbst nachdem wir uns schon einiges To-go eingepackt hatten, die Hälfte übrig. Von mir aus kann es gern so weitergehen.

Nach dem Essen haben wir einen ausgedehnten Verdauungsspaziergang gemacht, unter anderem bis zur Renmin University und über deren gesamten Campus. Man kann dort anscheinend alles studieren, was man in Deutschland auch studieren könnte, eigentlich ist es eine recht normale Uni... naja, es war dunkel, heiß und ich war schon wieder müde, ich habe mir also nicht alles gemerkt, was Margaret uns so erzählt hat. Eines ist mir aber im Gedächtnis geblieben: Jeden Freitagabend treffen sich einige Studenten auf einem bestimmten Platz auf dem Campus um Englisch zu reden. Diese Woche werden wir auch hingehen und dann laut Margaret die Stars des Abends sein, denn wann traut sich schon mal ein Ausländer zu so einer Veranstaltung? Das könnte noch lustig werden!

Wir sind jetzt jedenfalls wieder zurück in der Wohnung und werden schlafen gehen, aber hier noch ein direkt übernommener Auszug aus Anjas Tagebuch, den ich einfach so stehenlasse: 

Spannend fand ich noch etwas, was Margaret sagte, als wir sie fragten, ob sie meine, dass wir uns bei der Polizei melden sollten, wie von der Regierung vorgesehen. Sie sagte dazu, dass das nicht nötig ist, weil zwei europäische Frauen nicht als gefährlich eingestuft würden, sie aber als alleinstehende ältere Frau (keine Studentin mehr) sei gefährlich, weshalb sie auch keine Visa mehr bekomme. Sie scherzte, dass sie überlege zu heiraten, um wieder weit reisen zu können. Aber am besten einen Ausländer. 

Im Reich der Mitte

Fuck yeah, CHINA!!!!!

So war zunächst unsere Reaktion auf die Ankunft. Nach ca. 10 Stunden im Flugzeug mit ein paar Filmen, wenig Schlaf, dafür aber Eis am Stiel (Danke, Air France!) sind wir immer noch wach bzw. halten uns mittlerweile mühsam wach, obwohl wir in Deutschland schon längst schlafen müssten und in China der neue Tag schon längst begonnen hat. 

Randnotiz: zeitzonenmäßig ist China Deutschland 6 Stunden voraus, d. h. deutsche Zeit +6 und man hat die chinesische Zeit.

Die Emotionen dieses ersten, begeisterten Ausrufs hielten allerdings nur kurz an, denn ein Blick auf das Gepäckband zeigte, dass unsere Rucksäcke nicht dabei waren. Immerhin traf das nicht nur auf uns zu, und so standen wir mit ein paar Franzosen an der Gepäckverluststelle des Pekinger Flughafens. Jetzt besagt ein Zettel, dass die Rucksäcke offiziell verloren sind, aber laut der Frau auf der anderen Seite des Schreibtischs sollten die Rucksäcke in ein paar Tagen wieder auftauchen. Hoffentlich! Sonst kommen wir in arge Frische-Wäsche-Nöte. (Aus guter Intuition haben wir aber einen kompletten Satz frischer Wäsche im Handgepäck - inklusive kurzen Hosen!) Obwohl, wo man doch schon mal im Land der billigen Klamottenherstellung ist...?

Ach ja, und das liebe Geld. Anja hatte im Internet gelesen, dass man an praktisch allen Geldautomaten mit den richtigen Symbolen (MasterCard / Maestro) mit einer deutschen Karte problemlos Geld abheben kann. IST KLAR! Zwei von drei Automaten haben prompt die Herausgabe von harter Währung verweigert. Warum auch immer. Der dritte hat uns aber eine - gefühlt - unfassbar große Menge an Geld gegeben (sooo viele Scheinchen, umgerechnet waren es ca. 250 €), mit dem wir immerhin mal den Taxifahrer bezahlen konnten, der uns zu unserer Couchsurferin Margaret gebracht hat. Besagter Taxifahrer hatte übrigens mindestens vier Smartphones, von denen zwei minütlich immer wieder irgendetwas Chinesisches von sich gegeben haben. 

Und hier sitzen wir nun. Oder sagen wir mal, wir lehnen am Kopfende des Bettes und rutschen mehr oder weniger gleichzeitig immer weiter in die liegende Position, denn wir sind sooooooo müüüüde und es ist sooooooo waaaaaaaaaarm. Nicht mal die Klimaanlage kann die Hitze so recht verschleiern. Theoretisch könnte man der Müdigkeit ja mit Bewegung entgegenwirken, aber wir können die Wohnung nicht verlassen, denn wir sind zu blöd, um die Tür von außen abzuschließen! Die WhatsApp-Hilfe von Margaret hat bisher da auch nicht wirklich geholfen ("Push up and then turn the key!"), und so blieb es erstmal bei einer kurzen Tour, die wenige Meter außerhalb der Wohnung wieder endete. Wir wollen ja nicht gleich am ersten Tag einen Einbruch riskieren. 

Und bevor ich mich jetzt tatsächlich für einen Mittagsschlaf hinlege, beschließe ich diesen Post mit ein paar Fotos, denn Anja fotografiert prinzipiell jede Couchsurfer-Bude.


Besagtes Bett, Tür hinten links Küche, Tür hinten rechts Bad.



Die Küche: dank Nachbearbeitung sieht sie viel sauberer aus, als sie eigentlich ist. Wie klein sie ist, sieht man trotzdem.



Das Bad ist wenig größer als eine europäische Dusche und ja, links vom Klo ist sogar ein Waschbecken, und das da oben ist der Boiler aus dem das Duschwasser kommt, angeschlossen an eine Steckdose direkt darunter... *grusel*



Blick nach rechts aus der Wohnungstür. Irgendwie... schön!



Noch konnten wir "Der Widerspenstigen (Wohnungstür) Zähmung" nicht aufführen.



Barackenartige Häuser und glänzende Autos, wohin man blickt.

Montag, 11. August 2014

Une rue à Paris!

Unser bescheidener Plan für heute, nämlich das schon erwähnte Eclair, konnte auch in die Tat umgesetzt werden. Allerdings nicht ganz wie geplant. Eigentlich wollten wir uns nach der Verabschiedung von der Couchsurferin in ein typisches Pariser Café setzen, einen Kaffee trinken und das besagte Eclair essen. Beim Blick auf die Karte blieb uns allerdings die Spucke weg – zwei lächerliche Schokobrötchen für 6 €??! Dass es nicht billig werden würde, war uns klar, aber SO teuer… Nach Kaffee haben wir erst gar nicht geschaut, sondern jeder nur zwei Schokobrötchen gegessen – mit sehr kleinen Bissen, man muss diesen Luxus ja angemessen genießen – und haben das Café dann verlassen. Die Eclairs haben wir in einer Bäckerei gekauft und auf den Stufen direkt neben dem Café von vorhin verspeist. (Haha!) Danach mussten wir auch schon wieder zum Flughafen, denn die Fahrt dahin dauert ja nun mal eine Stunde…


"Vous vous foutez de ma gueule ou quoi?!"



Vor einem richtigen Eclair verschwimmt selbst Paris in der Bedeutungslosigkeit.



Nicht jeder geht mit Eclairs so dezent um wie Anja.


Jetzt sitzen wir jedenfalls im Flieger. Ich persönlich habe ja noch nie einen Langstreckenflug erlebt, darum waren die Monitore in den Kopfstützen neu für mich, aber Anja war schon ganz abgebrüht. (Für Langstreckenflug-Jungfrauen: Das ist nicht nur ein Monitor, es ist sogar ein Touchscreen und hat auch eine Fernbedienung. Bei Air France kann man da aus einer wirklich großen Auswahl von Filmen, TV-Serien, Dokus, Spielen etc. wählen. Damit lassen sich 10 Stunden Flug sehr angenehm gestalten.) Monitor schön und gut, aber wie soll man diesen unerwarteten Luxus genießen können, wenn links von einem ein kleiner Kaiser, auch bekannt als chinesischer Junge im Alter von ca. 10 Jahren sitzt? Noch so etwas, wovon man mal vor Jahren in der Schule gehört hat – die verwöhnten chinesischen Gören. Dieser ist ein gutes Beispiel. Hat bis jetzt durchgehend einen Fußball-Simulator oder eine Art Space Invaders gespielt (letzteres mit Soundeffekten – aus seinem Mund), das Essen entweder verweigert oder runtergeschlungen, seine Chips halb gegessen, halb auf dem Boden verkrümelt, sich auf dem Sitz umgedreht, um über die Rückenlehne auf den Sitz hinter ihm zu schauen, ohne sich um den Becher voll mit Apfelsaft auf seinem Tischchen zu kümmern... Währenddessen räumt Muddi hinter ihm her und muss ihm sogar sagen, dass man sich bedankt, wenn die deutsche Frau nebenan einem endlich zeigt, wie man die Fernbedienung bedient, anstatt den Touchscreen weiterhin mit seinen Sauklauen zu vergewaltigen.

Ich muss mich jetzt mal durch alle verfügbaren Filme klicken und mein Handy auf die Uhrzeit des Zielortes einstellen. Und schon ist es nicht mehr 17, sondern 23 Uhr, und wir kommen um 6 Uhr an. Das wird noch spaßig.

Sonntag, 10. August 2014

Un rêve en Chine

Es ist Zeit, meinen Blog kurzzeitig zu reaktivieren! Der Grund ist simpel: Ich habe keine Lust, immer wieder von meinem China-Urlaub mit Anja (meiner ehemaligen Mitbewohnerin und guten Freundin) zu erzählen und bei jedem Mal etwas anderes zu vergessen, und darum wird hier alles zusammengefasst. Meine Posts schreibe ich nach der Reise, datiere sie aber auf den richtigen Tag zurück. Sie basieren vom Grundgerüst her auf Anjas Tagebuch, was wir im Laufe der Reise per Diktat digitalisiert haben. Nun denn!

Vorgeplänkel

Tag 1 von Anjas und meiner großen Reise nach China. Um das gleich am Anfang zu klären – warum China? Weil wir eingeladen wurden. Mein ehemaliger Mitbewohner Andrés (aus Venezuela) hat 2013 für ein paar Wochen einen gestrandeten Landsmann in der WG aufgenommen. Dieser Landsmann namens Cris hat Anja und mich an einem gemeinsamen Abend mit ein paar amerikanischen Serien und deutschem Kräuterschnaps nach China eingeladen, wo er als Kindergärtner arbeitet. (Chinesen stehen ja so auf Bildung, und da Ausländer = Fortschritt, sind Kindergärten mit ausländischen Gärtnern umso beliebter und teurer.) Die Einladung haben wir jedenfalls angenommen, einen recht günstigen Flug ergattert, Visa bekommen und sind dann, nun ja, sind zum Flughafen Halle/Leipzig gefahren. Wir haben sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückflug einen Zwischenstopp in Paris, auf dem Hinflug sogar 18 Stunden lang. In der Zeit werden wir bei einer Couchsurferin schlafen und wollen den Eiffelturm und die Champs Élysées sehen.

A midi ou à minuit...

Der Weg nach Paris rein war strapaziös. Man denkt, dass man an einem der gefühlten 100 Ticketautomaten schnell ein Ticket nach Paris rein bekommt. Natürlich nicht, warum denn auch… wir beherrschen beide die französische Sprache recht gut, haben aber trotzdem weder am gelben, noch am blauen oder grünen Automaten ein passendes Ticket gefunden. Zuletzt haben wir es dann am Schalter gekauft und sind nun schon 35 € pro Person los. Rückblickend war das aber keine schlechte Investition, denn wir sind allein heute Abend schon mit mindestens vier verschiedenen Metros gefahren. Und jedes Mal ein neues Ticket lösen? (Tipp für Menschen, die ihr Ticket gern in der Handyhülle aufbewahren: Nein, tut es nicht! Das Handy macht die Tickets unlesbar.) Jedenfalls dauert die Fahrt nach Paris rein eine gute Stunde. Hätten wir uns ein wenig besser informiert, hätten wir das wohl auch gewusst. Immerhin ist uns so schon recht früh klar geworden, dass wir Sehenswürdigkeiten wie die Notre Dame oder Sacré-Cœur abschminken können.

Aber nicht alle!


Anjas Kamera hat Gott sei Dank einen krassen Weitwinkel, sonst hätte mein riesiges Kinn niemals aufs Bild gepasst. 



"Une, deux, trois, quatre baguettes pour le prix de deux!"


Eiffelturm – check, Champs Elysées – check, Arc de Triomphe – check. Wenn man diese Bauwerke in den Französisch-Lehrbüchern immer und immer wieder gesehen hat und bis zum aktuellen Tag nicht da war (mit 25 Jahren, hallo??), dann nutzt man diese paar Stunden Aufenthalt natürlich zum Sightseeing. Fotos wurden gemacht, die Couchsurferin haben wir am Place de la Concorde getroffen, sind mit ihr die gesamte Prachtstraße entlanggelaufen und nun bei ihr daheim angekommen. So sympathisch sie in ihrem Profil klang, so kühl ist sie nun… aber ihre Katze ist flauschig. Naja, ehrlich gesagt sind wir beide auch völlig erschlagen vom nächtlichen Fußmarsch durch Paris, da kommt von unserer Seite auch nicht mehr so viel. Sie wohnt übrigens in einer ziemlich gammeligen Ecke von Paris, im Hausflur sind wir erstmal über eine große Pisselache gestiegen und ihr Bad ist ein einziges Loch…

Nun wird aber erstmal geschlafen und morgen ist unser einziger Plan vor dem Abflug nach Peking das Essen eines Eclairs (pro Person).