Mittwoch, 18. August 2010

Entscheidungen und Verhältnisse ändern sich.

Nachdem ich mein Zugticket für ein paar Tage Urlaub in Genf gekauft hatte, habe ich ein paar Sekunden überlegt, ob ich meinen Blog ein bisschen weiterführen sollte – und habe mich dagegen entschieden, da dieser Urlaub nicht mehr zum „Traum in Genf“ gehört, sondern eher eine Art Revival ist, also kalter Kaffee. Und den wärmt man nicht mehr auf. (Das mal zu den geänderten Entscheidungen, die Ansichten kommen später.)

Wie der geneigte Leser vielleicht schon bemerkt hat, ist dem nicht so. Eben habe ich die Mikrowelle angeworfen um den kalten, abgestandenen Kaffee nochmal zu erhitzen, und das nur wegen eines aufgebrachten, ungewollten Zuggastes. Man stelle sich folgendes Gespräch im Geiste vor, F(ahrgast) spricht Sächsisch und ist sehr aufgebracht (auch gut durch die Nutzung von Ausrufe- und Fragezeichen zu sehen), Z(ugbegleiter) ist so ruhig, dass man ihn fast nicht hören kann. Der Gast hat seine Tochter / Schwester / weibliche Begleitung zum Zug gebracht und steht im Abteil. Merke: Es ist der erste Waggon, der allererste auf dem Bahnsteig, 2. Klasse (mit verbessertem Handyempfang).

F: Wo ist denn hier der Ausgang? *Gemurmel* Ich muss raus!
Z: Der Zug fährt schon.
F: Aber ich muss raus!
Z: Sie sehen, der Zug fährt.
F: Aber ich muss raus, das ist doch nicht meine Schuld, ich bin am anderen Ende des Zuges (= ganz ganz weit draußen auf dem Bahnsteig) eingestiegen, weil der Zug falschrum reingefahren ist (= Wagen verkehren in umgekehrter Reihenfolge). Und deshalb konnte ich nicht aussteigen.

Oder halt, vielleicht irre ich mich auch – es könnte sein, dass der Fernzug nach Frankfurt, der immer auf Gleis 10 abfährt (und das habe ich schon beim zweiten Mal gemerkt) heute angeblich nicht auf Gleis 10 abfuhr, sondern auf Gleis 21, woraufhin der Mann beim Bemerken dieses folgenschweren Irrtums auf Gleis 8 rannte. So etwas in der Art habe ich auch gehört. Tatsache ist jedoch: angry man is trapped in train.

F: Halten Sie an!! Ich will jetzt aussteigen!!!
Z: Unser nächster Halt ist in Weimar.
F: Ich kann aber nicht bis Weimar fahren, ich muss arbeiten!!!! Bei Mercedes Benz!!!!!!
Z: Wir können auch nichts für Sie tun, Sie müssen in Weimar aussteigen.
F: Das geht nicht, ich hab um 9 Uhr ein Auto*brabbelbrabbel-wahrscheinlich-verkaufs*gespräch!!!!
Z: ...
F: Ich drück jetzt hier auf die Notbremse!!! Halten Sie den Zug an!!!! Ich kann von hier aus auch ein Taxi nehmen und komme rechtzeitig zur Arbeit, aber ich fahre nicht bis Weimar!!!!

Intervention einiger Zuggäste: Aber andere Leute müssen ihre Anschlusszüge bekommen. Fair enough. Ich auch.

F: So geht das nicht, ich muss hier raus, ich muss arbeiten. Ich drück jetzt auf die Notbremse!!!!
Z: ...
F: Ich drück jetzt hier drauf!!!!!!!!!!
Z: Das ist der Türöffner.

That’s when I lost it. Ab diesem Punkt habe ich nicht mehr breit gegen das Rückenteil des Sessels vor mir gegrinst, sondern verhalten losgelacht und mein Grinsegesicht dem Fahrgast rechts von mir zugedreht, der dieser Unterhaltung auch gefolgt ist – wie sowieso das gesamte Abteil. Herr Ich-bin-ein-verdammt-hohes-Tier-bei-Mercedes-Benz-und-deshalb-unverzichtbar-beim-Autoeinkauf hatte im Laufe des Gesprächs seine Stimme noch weiter erhoben. Es ging noch ein paar Takte weiter, bevor Zugbegleiter, ungewollter Fahrgast und seine weibliche, ca. 16jährige, wie auch immer verwandtschaftlich oder beziehungstechnisch geartet an ihn gebundene, heulende Begleitung zur Mitte des Zuges vordrangen. Alsbald hörte man aus den Lautsprechern nicht nur „Sehr geehrte Fahrgäste, in Wagen XYZ finden Sie heute unser Bordbistro“, sondern auch „Sollte sich ein Beamter der Bundespolizei im Zug befinden, bitte kommen Sie in Wagen 23. Ihre Hilfe wird dort benötigt“. Er scheint sich noch mit Händen und Füßen gegen das Weiterfahren des Zuges gewehrt zu haben.

Und doch – wir fahren weiter. Mercedes Benz ist also doch nicht der Schlüssel zum Erfolg und berechtigt die sich damit schmückende Person nicht zur Benutzung der Notbremse (oder des Türöffners bei voller Fahrt) und Kopfbahnhöfe können für grausame Schicksale verantwortlich sein.

Ein kleiner Wermutstropfen ist bei dieser Zugfahrt – und eventuell noch länger – dabei: Es riecht nach Katzenpipi. Es hat schon heute Morgen in meinem Zimmer danach gerochen, obwohl ich gestern Abend nach Beginn der Nachtruhe noch gesaugt und gewischt habe. Meine Vermutung war, dass die Miezen unbemerkt auf meine Bettwäsche gepinkelt haben, weshalb ich sie dann vorhin noch abgezogen und in Richtung Waschmaschine getragen habe. Aber jetzt riecht es immer noch danach... Vielleicht ist es auch einfach meine Einbildung (oder ich habe meine Tasche nach der letzten Attacke nicht gründlich genug gesäubert). Manchmal nerven die Viecher wirklich.

Nun zu den geänderten (Größen-)Verhältnissen. Hat auch mit Viechern aka. Katzen zu tun. Nach meiner Ankunft im trauten Heim meiner Eltern habe ich meinen Rucksack nach oben gebracht, mir einen Rest Mittagessen in der Mikrowelle aufgewärmt (diese Wiederholung des Wortspiels von oben ist ungewollt - den vorigen Teil hab ich im Zug geschrieben, der hier stammt aus der Zeit auf meinem Sofa) und dann kam unser Kater Mikesch nachhause. Wobei - ich darf mich langsam nicht mehr als Teil dieses "unser" fühlen oder dazu zählen, da ich mittlerweile lange genug ausgezogen bin und außerdem selbst von einer bzw. zwei Katzen besessen werde. ("Katzenbesitzer" ist ein Oxymoron.) Wie gesagt, er kam nachhause und setzte sich zum Fressen an einen vollen Napf. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. War dieses Tier schon IMMER so breit, lang, tief (= groß und fett)??!!!!! Mit einem monstermäßig riesigen Kopf vorne dran!!!!!! Diese so unerwartete Überraschung hat sich bei mir in einem minutenlangen Lachanfall geäußert. Denn natürlich sah er schon immer aus - das sage ich jetzt so, ich glaube es eigentlich immer noch nicht -, aber wenn man die letzten paar Wochen zusammen mit zwei im Vergleich zu ihm winzigen Kätzchen gelebt hat, die man mit einer Hand anheben kann und die beim Streicheln keinerlei Widerstand bieten, dann wird der Ist-Zustand zur Normalität, sprich: Alle Katzen sind von Haus aus klein und zart, egal ob sie Babys oder ausgewachsen sind. Und wenn einem dann so ein Brummer über den Weg läuft, von dem man glaubte, dass man ihn Zeit seines Lebens so kannte und der immer normalgewichtig und für eine Katze durchschnittlich groß war, dann ist das ein Fall aus allen Wolken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen